Die neuen Voraussetzungen dafür, dass eine Betreuung angeordnet wird
Der neue § 1814 BGB, Abs. 1 lautet wie folgt:
(1) Kann ein Volljähriger seine Angelegenheiten ganz oder teilweise rechtlich nicht besorgen und beruht dies auf einer Krankheit oder Behinderung, so bestellt das Betreuungsgericht für ihn einen rechtlichen Betreuer (Betreuer).
§ 1814 ist eine Fundamentalnorm, die die Voraussetzung festlegt, bei deren Vorliegen der Staat verpflichtet ist, Erwachsenen, deren Handlungsfähigkeit beeinträchtigt ist, Schutz und Fürsorge durch die Bereitstellung des Rechtsinstruments der rechtlichen Betreuung zu gewähren.
Wichtig: Der Umfang der Betreuung wird nunmehr in § 1815 geregelt. Nicht der medizinische Befund einer Krankheit oder Behinderung soll als vorranginge Feststellung eines Tatbestandsmerkmal sein, sondern der individuell und konkret zu bestimmende objektive Unterstützungsbedarf. Es muss der objektive Betreuungsbedarf und die subjektive Betreuungsbedürftigkeit kumulativ vorliegen, um die Bestellung eines Betreuers zu rechtfertigen. Dies ist die notwendige Schwelle, die die Erwachsenen – neben dem Erforderlichkeitsgrundsatz – vor einer übermäßigen, nicht zu rechtfertigenden rechtlichen Betreuung schützt. Aus einer festgestellten Diagnose darf nicht vorschnell auf eine Betreuungsbedürftigkeit geschlossen werden. Es gilt der Grundsatz, nach dem neuen Gesetz, der Nachrang der Betreuung.
In der Vergangenheit wurde die Notwendigkeit der Bestellung eines Betreuers stark von der medizinischen Feststellung von Defiziten der betreffenden Person, die betreut werden soll, abhängig gemacht. Nach der neuen Gesetzesgrundlage ab 01.01.2023 soll der konkrete Unterstützungsbedarf in den Vordergrund gestellt werden.
Nicht der medizinische Befund einer Krankheit oder Behinderung soll das vorrangig festzustellende Tatbestandselement sein, sondern der individuell und konkret zu bestimmende objektive Unterstützungsbedarf. Um nur solchen Unterstützungsbedarf als betreuungsrelevant zu kennzeichnen, der durch einen Betreuer wahrgenommen werden könnte und müsste, wird das Unvermögen zur Besorgung der Angelegenheiten durch die Einschränkung „rechtlich“ konkretisiert. (Amtlicher Text).
Die Erforderlichkeit einer Betreuerbestellung liegt gerade dann nicht vor, wenn eine
ausreichende anderweitige Unterstützung vorhanden ist. Dies gilt ab 01.01.2023 auch im Bereich der Ehegattenvertretung durch den neuen § 1358 Abs. 1 BGB.
§ 1814 BGB wird als fundamentalnorm des Betreuungsrechts bezeichnet, weil in ihr die Voraussetzungen festgelegt werden, bei deren Vorliegen der Staat verpflichtet ist, Erwachsenen, deren rechtliche Handlungsfähigkeit beeinträchtigt ist, Schutz und Fürsorge durch Bereitstellung des Rechtsinstruments der rechtlichen Betreuung zu gewähren. Dies müssen auch die Personen wissen, die Antrag auf Betreuung stellen und die Betreuung nicht angeordnet oder verzögert wird, dass dann eine Verletzung der Verpflichtung des Staates, eine Betreuung anzuordnen, gem. § 1814 BGB vorliegt.